Tempelfund der Woche (XI) - Dachzierde mit Palmetten
Archäologen bargen seltenen Stirnziegel des HeiligtumsBernd Funke, Allgemeine Zeitung Mainz, 08.02.2001
Ein rotes Ziegeldach beschirmte einst den Tempel zu Ehren der Göttin Isis im römischen Mogontiacum.
Für Dr. Jens Dolata, den "Ziegelexperten" unter den Mainzer Archäologen, ist es ein wahrer Glücksfall,
daß bei Reparaturarbeiten des Tempeldachs und bei der Niederlegung des Heiligtums die Ziegel gezielt
genutzt wurden, um Opferstätten abzudecken. "Somit haben wir ausnahmsweise keine Streufunde, die keiner
konkreten Bebauung zuzuordnen sind, sondern ausschließlich Dachziegel des Tempels bergen können", freut
sich Dolata.
Bislang wurden rund sieben Kubikmeter Trümmer des Daches geborgen. Etwa die Hälfte der Fragmente wurde
bereits gewaschen und (soweit möglich) zusammengesetzt. Derzeit sind die Archäologen mit der
dokumentatorischen Aufnahme der Fundstücke befaßt. Jens Dolata: "Das heißt für uns Auszählung der
Ziegeltypen, Wiegen aller Fragmente, fotografische und zeichnerische Dokumentation von Produktionsmerkmalen."
Schon jetzt wurden 40 Ziegelstempel festgestellt, die der 1., 4. und 22. Legion zugeordnet werden können.

"Stirnziegel" oder "Antefix(a)":
Verzierte Tonplatte, Verkleidung von Firsthohlziegelreihe oder Traufgesims eines antiken Tempels.
Verzierte Tonplatte, Verkleidung von Firsthohlziegelreihe oder Traufgesims eines antiken Tempels.
Unter den Ziegeln befindet sich auch ein halbrunder Deckziegel (imbrex) mit dem Stempel der 22. Legion
Primigenia, hergestellt in der Regierungszeit des Claudius oder Nero (Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.).
Hergestellt wurde er in der großen Heeresziegelei im pfälzischen Rheinzabern. Aber auch einen Stirnziegel
(antefix) mit einer Verzierung in Form von Palmetten aus früher Rheinzaberner Produktion fanden die
Archäologen. Dolata: "Antefixa sind extrem seltene Funde. In Mainz sind bislang nur 15 Fragmente bekannt."
Stirnziegel verschlossen die vordere Öffnung von gewölbten Deckziegeln, verzierten exponierte Stellen des
Daches oder die Traufseite. Am Giebel dienten sie als Abschluß der Firsthohlziegelreihe, an der Traufseite
als unterer Abschluß der Dachflächen. Jens Dolata weiß: "Deckziegel und Stirnziegel gehörten auf jeden Fall
zur Ausstattung des Tempels. Stabile Ziegeldächer waren im römischen Mainz zwar gängig, aber die Dachzier
ist wahrscheinlich sakralen Bauten vorbehalten gewesen." Was in Mainz bruchstückhaft gefunden wurde, ist
im Historischen Museum der Pfalz in Speyer komplett zu sehen: Stirnziegel mit Palmettenzier und Deckziegel
im Verbund, dazu mit einem Ziegelstempel vom Typ Rheinzabern der 22. Legion. Dolata: "Daß wir dadurch eine
gesicherte Datierung angeben können, ist ein ganz großer Ausnahmefall."